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- Kulturelle Vielfalt in der Schweiz: Ein ungenutztes Potenzial?
In der Schweiz und in eine indische Familie geboren, bewege ich mich seit jeher zwischen den Traditionen und Werten meines indischen Erbes und der Kultur meiner Schweizer Umgebung. Diese fortlaufende Reise zwischen zwei Welten hat mein Verständnis für die Stärke vielfältiger Perspektiven immer weiter vertieft. Mein Herz schlägt für eine Gesellschaft und Arbeitswelt, die kulturelle Unterschiede als Vorteil sieht und zu nutzen weiss. Ich bin überzeugt: In der heutigen globalisierten Welt, dürfen wir alle lernen, gemeinsam unterwegs und doch eigen-artig zu sein. Oft habe ich mich gefragt, warum es in der Schweiz – einem Land, das von kultureller Vielfalt geprägt ist – schwierig ist, diese Vielfalt im Arbeitsalltag widerzuspiegeln und zu nutzen. In meiner Arbeit als transkulturelle Coach und Workshop Facilitator erlebe ich immer wieder, wie wichtig es ist, auf Augenhöhe zu begegnen und die unterschiedlichen Lebensrealitäten aller Teilnehmenden aktiv zu berücksichtigen. Genau hier sehe ich eine grosse Herausforderung und Chance für viele Schweizer Unternehmen. Kulturelle Vielfalt und Inklusion: Ein blinder Fleck In Schweizer Unternehmen dreht sich bei DEI (Diversity, Equity & Inclusion) meistens alles um Geschlecht, sexuelle Orientierung, Menschen mit Behinderungen oder Altersfragen (lies dazu Prof. Dr. Andrea Gurtner, Berner Fachhochschule, Diversity and Inclusion Management ) . Kulturelle Diversität und Inklusion hingegen bleibt häufig unerwähnt. Und dies gerade in einem Land wie der Schweiz, das durch seine kulturelle und sprachliche Vielfalt geprägt ist - ein blinder Fleck? Unsere Lebenswege führen uns längst über lokale und nationale Grenzen hinweg. Viele von uns leben nicht mehr dort, wo sie geboren oder aufgewachsen sind. Auch ohne Migrationshintergrund bringen wir einzigartige Lebenswelten und unterschiedliche kulturelle Prägungen mit, die unsere Normen und Werte beeinflussen. In der Schweiz kommt die sprachliche Vielfalt hinzu: Vier Landessprachen – jede mit ihrer eigenen Kultur – tragen zur kulturellen Komplexität des Landes bei. Die Zahlen zur ethnischen Diversität in der Schweiz sprechen für sich: Knapp ein Drittel der ständigen Wohnbevölkerung in der Schweiz ist im Ausland geboren. Fast ein Viertel der im Ausland Geborenen lebt seit mindestens 20 Jahren in der Schweiz. Von den knapp 9 Millionen Bewohner*innen besitzen 2,4 Millionen keinen Schweizer Pass, und bei über der Hälfte der neu geschlossenen Ehen hat mindestens eine Person keinen Schweizer Pass. Fast 60% der Kinder in der Schweiz haben mindestens ein Elternteil, der im Ausland geboren wurde, und bereits 40% der ständigen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren hat einen Migrationshintergrund ( BFS, 2024 ) . Die Hälfte der jungen Arbeitnehmer*innen in der Schweiz haben also künftig eine Migrationsgeschichte. Trotz dieser beeindruckenden kulturellen Diversität bleibt die Schweiz für ausländische Fachkräfte nur eingeschränkt attraktiv. Eine aktuelle Umfrage der Expat-Plattform „Internations“ zeigt, dass die Schweiz von 53 befragten Ländern trotz der hohen Lebensqualität des Landes auf Platz 34 gelandet ist – im Vorjahr war sie noch auf Rang 23. Warum? Viele Fachkräfte gaben an, sie hätten Schwierigkeiten, in der Schweiz Anschluss zu finden. Zudem kämpfen Menschen mit Flucht - oder Migrationshintergrund darum, adäquate Positionen zu finden, oder sind gezwungen, unterqualifizierte Jobs anzunehmen, obwohl sie für anspruchsvollere Aufgaben hervorragend qualifiziert wären. Stellt sich also die Frage: Wie gut wird kulturelle Vielfalt in Schweizer Unternehmen tatsächlich verstanden, widergespiegelt und gezielt zur Fachkräftesicherung genutzt? Hindernisse für kulturelle Vielfalt und Inklusion Kulturelle Vielfalt zu fördern, ist eine wichtige Aufgabe, da sie stösst auf ähnlichen Hürden wie etwa die Geschlechtergerechtigkeit, z.B. in Hinblick auf Rekrutierung oder Beförderungen: Unbewusste Vorurteile : Unconscious Bias sind tief in unserem Gehirn verankert, und wenn wir sie nicht bewusst adressieren, sind Rekrutierungspraktiken unreflektiert davon beeinflusst. So kommt es vor, dass Bewerbungen von Menschen, die den Entscheidungstragenden sehr unähnlich sind, was z.B. Aussehen, Namen oder Herkunft betrifft, benachteiligt werden (lies dazu A wie Affinity Bias ). Ausschluss durch Jobausschreibungen : Viele Unternehmen haben es bisher verpasst, zielgruppengerechte Ansprachen zu entwickeln, die junge und kulturell diverse Talente ansprechen. Strukturelle Diskriminierung : Studien belegen, dass Personen mit einem ausländisch klingenden Namen im Vergleich zu gleich qualifizierten Mitbewerbenden mit typisch schweizerischem Namen deutlich mehr Bewerbungen verschicken müssen, um eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten (mehr dazu auf sozialinfo, Arbeitsmarkt: Ethnische Diskriminierung von Stellensuchenden ) . Diversität allein reicht nicht: Inklusion als Schlüssel Kulturelle Diversität ist in der Schweiz eine unvermeidliche Realität. Doch Diversität allein bringt noch keine Erfolge. Selbst wenn ein Unternehmen eine erhöhte kulturelle Vielfalt der Mitarbeitenden erreicht hat, ist der nächste Schritt, die Inklusion, der wichtigste. Eine gute Zusammenarbeit in einem kulturell durchmischten Team ist anspruchsvoll. Wenn unsere Lebens- und Arbeitswelt weniger monokulturell wird, verlieren wir die Basis von impliziten, gemeinsame Annahmen und Normen. Dies kann vermehrt zu Missverständnissen führen, das Vertrauen zueinander untergraben und (unbewusste) Vorurteile verstärken. Es braucht also etwas Aufmerksamkeit: Eine bewusste Auseinandersetzung, um die psychologische Sicherheit und transkulturelle Zusammenarbeit im Unternehmen zu fördern. Eine inklusive Arbeitsumgebung ist der Schlüssel, um das volle Potenzial diverser Talente auszuschöpfen ( McKinsey , What is diversity, equity, and inclusion? ). Wir lernen, die unterschiedlichen, einzigartigen Perspektiven, Lebenswelten und Stimmen aller Mitarbeitenden nicht als Irritation zu erleben oder bestenfalls zu tolerieren, sondern als Chance zu nutzen. Der Mehrwert von kultureller Vielfalt und Inklusion Diverse Studien von McKinsey zeigen neben der Rentabilität u.a. folgende Schlüsselbereiche, in denen Inklusion und Vielfalt die Gesamtleistung eines Unternehmens verbessern können: Bessere Entscheidungen durch verschiedene Perspektiven : Kulturell diverse Teams bieten eine Vielzahl von Blickwinkeln und Lösungsansätzen, was zu fundierteren Entscheidungen führt. Höhere Zufriedenheit der Mitarbeitenden : In inklusiven Teams fühlen sich Mitarbeitende wertgeschätzt, was zu höherer Motivation und Mitarbeiterbindung führt. Effektivere Teamarbeit : Teams, die kulturelle Unterschiede aktiv nutzen, arbeiten oft produktiver und kreativer zusammen. Internationale Erfahrung als wirtschaftlicher Vorteil : Unternehmen profitieren von der globalen Perspektive ihrer Mitarbeitenden und können ihre Strategien besser auf internationale Märkte abstimmen. Was Unternehmen tun können Hier sind fünf praxisorientierte Schritte, die Unternehmen dabei unterstützen können, Vielfalt effektiv zu nutzen und eine inklusive Unternehmenskultur zu fördern (lies Erfolgsfaktor kulturelle Diversität und faire Teilhabe. Wie deutsche Unternehmen jetzt aufholen können ) . Vielfalt strategisch verankern: Wenn Führungskräfte klare Ziele für Diversität setzen, wird Vielfalt nicht nur ein schönes Wort, sondern Realität. Das sorgt dafür, dass unterschiedliche Perspektiven aktiv in Entscheidungen einfliessen und das Team bereichern. Unconscious Bias handhaben: Wir alle haben unbewusste Voreingenommenheiten, die unsere Entscheidungen beeinflussen können. Durch Schulungen können Mitarbeitende lernen, diese Unconscious Bias zu erkennen und daraus entstehende Fehlentscheidungen zu reduzieren, sodass Bewerbungen und Beförderungen fairer und objektiver gehandhabt werden. Eine allen zugängliche Sprache als interne Arbeitssprache etablieren: Englisch, oder nur schon "Hochdeutsch" als zusätzliche, gemeinsame Unternehmenssprache einzuführen, kann Sprachbarrieren abbauen, und internationalen Talenten das Einleben erleichtern. So wird die Zusammenarbeit in internationalen Teams reibungsloser und das Unternehmen für globale Talente attraktiver. Kultureller Austausch und Mentoring: Austauschprogramme und Mentoring für kulturell diverse Talente fördern den kulturellen Dialog und helfen, ein tieferes Verständnis und stärkere Verbindungen innerhalb des Teams aufzubauen. Fortschritte transparent machen: Regelmässige Berichte und Erfolgsstorys machen sichtbar, wie sich das Unternehmen entwickelt. Das schafft Klarheit über Erfolge und zeigt den Weg hin zu einer inklusiveren und vielfältigeren Unternehmenskultur. Mein Fazit: Die Chance für die Schweiz Kulturelle Vielfalt ist in der Schweiz zwar Realität, doch nur durch eine bewusste Inklusion kann ihr Potenzial wirklich entfaltet werden. Ein Arbeitsumfeld, das kulturelle Vielfalt fördert und allen Mitarbeitenden faire Teilhabe ermöglicht, ist heute mehr denn je nicht nur eine ethische Entscheidung, sondern ein belegter Wettbewerbsvorteil für Unternehmen. Das wichtigste ist jedoch: Wenn wir aus unserer „Bubble“ herauswachsen, Begegnungen auf Augenhöhe führen, mit Menschen, die anders gestrickt sind als wir, werden unsere Neuronen neu befeuert, unser Gehirn ist begeistert, und wir wachsen über uns hinaus. Wir sind zufriedener, was sich wiederum positiv auf unsere Arbeitsumgebung auswirkt!